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Die europäische Sicherheitspolitik im Spannungsfeld zwischen Universalismus und Partikularismus

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Grafik: http://www.eda.europa.eu

Die Diskussionen um eine gemeinsame europäische Armee sind so alt wie die europäische Idee selbst. Seit dem Vertrag von Lissabon hat das Streben nach einer gemeinsamen europäischen Außen- und Sicherheitspolitik in den Diskussionen und Planspielen zuletzt einen gewissen Aufwind erfahren. Die europäische Schuldenkrise, der allgemeine Sparzwang in den Haushalten der EU-Mitgliedstaaten und die diversen heterogenen Bedrohungsszenarien um Europa herum haben die Forderungen nach Effizienzsteigerung und Pooling and Sharing weiter vorangetrieben. Doch werden dem so oft und eindringlich geforderten Zusammenwachsen europäischer Außen- und Sicherheitspolitik weiterhin verschiedene Hürden in den Weg gelegt. Die zu große Abhängigkeit von den USA, redundande Strukturen in EU und NATO, ein mangelnder Wille zum Vertrauen auf die Kapazitäten der europäischen Nachbarn und die Verfolgung nationaler Partikularinteressen lassen den Verständigungsprozess nicht so recht vorankommen. Es stellt sich die grundlegende Frage nach den eigentlichen Zielen der GASP und dem einzuschlagenden Weg zur Lösung dieser Aufgaben.

Die momentane Lage und der Ausgestaltungsstand der GASP können immernoch als Findungsphase bezeichnet werden. Dies soll zunächst als eine rein deskriptive und nicht kritische Heuristik festgehalten werden. Die Beschreibung dieses Zustandes als Findungsphase impliziert jedoch gleichermaßen, dass die GASP sich stets fortentwickelt, verändert und an strategische und politische Veränderungen anpasst. Die Lenkung genau dieses Prozesses in vernünftige und effiziente Bahnen muss der normative Ansatz eines jeden in europäischen Kategorien denkenden Sicherheitsstrategen, Politikers und Militärs sein. Und wie kann die GASP der Europäischen Union vernünftig sein? Idealtypisch lassen sich zwei gegensätzliche Szenarien entwickeln, von denen zwar keines realiter in Reinheit existiert, die aber zur Unterscheidung konstruiert werden müssen. Die Realität dürfte sich zwischen den beiden Konzepten bewegen, die sich hinter dem Begriffspaar Universalismus und Partikularismus verbergen.

Der universalistische Ansatz hat ganz überpitzt formuliert eine von Brüssel aus gelenkte vereinigte europäische Armee und eine vereinigte europäische Außenpolitik vor Augen. Souveränitäten werden teilweise dem einzelnen EU-Mitgliedstaat entzogen und zugunsten einer einheitlichen europäischen Stimme in der Weltpolitik in Brüssel konzentriert. EU-weit werden taktische und strategische Herausforderungen gesammelt, gemeinsam besprochen und in einem gesamteuropäischen Konsens unter Verteilung von nationalen Kernkompetenzen und entsprechender Aufgabenverteilung zur Lösung gebracht. Ansätze dieser universalitischen Denkweise in der GASP konnten zuletzt aus den am 18. und 19. April zwischen den EU-Verteidigungsministern festgelegten Zielen zum Pooling and Sharing herausgelesen werden. (Vgl. EU12-126EN, EDA: EU defence ministers discuss Pooling & Sharing in the long term) Als Beispiel kann das entdeckte fehlende militärische Vermögen zur Luftbetankung von Kampfflugzeugen betrachtet werden. Unter der Führung Deutschlands, Frankreichs und der Niederlande soll dieses Problem gesamteuropäisch gelöst werden, unter Koordinierung von EU-Stellen. Ebenso sind die gemeinsamen Einsätze in diesem Kontext aufzufassen.

Der partikularistische Ansatz drängt sich dem aufmerksamen Beobachter der sicherheitspolitischen Medienlandschaft fast täglich auf. Bilaterale und multilaterale Abkommen über auf kleine Bereiche begrenzte Verteidigungkooperationen zwischen einzelnen EU-Mitgliedstaaten und regionales Stückwerk umspannen mosaikartig die europäische verteidigungspolitische Landschaft. So arbeiten die Franzosen und Briten in der Pilotenausbildung zusammen, so treiben die Beneluxstaaten eine Verteidigungskooperation voran und planen eventuell sogar ein weiteres gemeinsames Flugzeug, so entwickelt die Visegrád-Gruppe (Polen, Tschechien, Ungarn, Slowakei) allmählich eine gemeinsame Verteidigungsidentität und so formiert sich im Baltikum ein gemeinsames Abwehrinteresse gegen Russlands Königsbergpolitik, um nur einige wenige Beispiele zu nennen. Gleichzeitig unterhalten beinahe alle EU-Mitgliedstaaten kaum abgestimmte bilaterale Beziehungen zu den USA und anderen außereuropäischen Akteuren, vollziehen Waffengeschäfte oder binden sich in weitere überregionale Konstrukte wie die Mittelmeerunion ein.

Beide aufgezeigten Ansätze bleiben entweder Utopie oder führen in ihrer Eigenheit nicht zu einem weitsichtigen Fortschritt in der Konzeptionalisierung der GASP. Es bedarf eines Zwischenweges, eines Neologismus. Gefragt ist das Paradoxon eines partikularen Universalismus europäischer Außen- und Sicherheitspolitik. Insbesondere der Grad der Reglementierung und Steuerung muss einen Mittelweg zwischen nationaler Interessenpolitik und bündnisorientiertem Kollektivismus finden. Dies ist am ehesten auf der Grundlage einer gemeinsamen europäischen außen- und sicherheitspolitischen Wertebasis und einer Zielkategorisierung möglich. Partikular ist dabei die Aufteilung in Kernkompetenzen von Ländern oder Ländergruppen und die regionale Interessenlage in Richtung eines region-building zu vollziehen. Hat das eine Land eher Interesse an maritimer Sicherheit im Nord- oder Ostseeraum, liegt der Schwerpunkt anderer Ländergruppen im Südosten Europas etc. während wieder andere Fragen wie Cyberwarfare, Raketenabwehr oder Diplomatie ganz allgemein auf ein gemeinsames Sicherheitsinteresse fußen. Es gilt also stärker Synergieeffekte in der gesamteuropäischen Außenwirkung zu erzielen und ein Gleichgewicht aus Kollektivierung, Aufgabenteilung, Effizienzsteigerung, Pooling and Sharing und Einzelengagements herzustellen. Vielleicht bieten gerade die aktuelle Schuldenkrise und der allgemeine Sparzwang den entscheidenden Anstoßpunkt zur Weiterentwicklung und weiteren Koordinierung der GASP.


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